Als die Fans das Stadion stürmten

Es waren Zeiten, in denen keine Maus mehr auf den Tannenbuckel in Birkenau passte. Als sich der Verkehr auf der B3 von Leutershausen bis nach Weinheim staute. Als Zuschauer das Weststadtstadion stürmten und Zäune niedertrampelten. Wenn der TSV und die SGL aufeinandertrafen, waren Handballfeste garantiert.

Fast auf den Tag genau 50 Jahre ist es her, als sich eines dieser großen Handballspiele in den Köpfen und Herzen aller Beteiligten manifestierte. Am 28. August 1966 trafen im heutigen Sepp-Herberger-Stadion in Weinheim die beiden punktgleichen Teams des TSV Birkenau und der SG Leutershausen aufeinander, um den süddeutschen Feldhandball-Titel auszuspielen. 5000 Zuschauer wollten die Begegnung der beiden Erzrivalen sehen. 16:12 endete die Partie für das – wie damals selbst SGL-Trainer Bernd Kuchenbecker bekannte – ausgeglichenste Team der Oberliga. Die erfolgsverwöhnten Leutershausener mussten sich mit dem Vizetitel begnügen.

In der Endrunde um die deutsche Meisterschaft scheiterte Birkenau dann an Eintracht Hildesheim, die SG Leutershausen musste sich dem VfL Gummersbach geschlagen geben. Deutscher Meister wurde 1966 der TV Oppum nach einem 19:12 über den Hamburger SV. Doch das Handballfest an der Bergstraße bleibt in Erinnerung, auch deshalb, weil es den Anfang vom Ende des Feldhandballs einläutete.

Erstmals zur Saison 1966/67 wurde die Hallenhandball-Bundesliga eingeführt. SGL und TSV hatten sich für die neu geschaffene höchste deutsche Spielklasse in der Halle qualifiziert und traten fortan sowohl in der Feld- als auch in der Halle gegeneinander an. Bis 1975 wurde noch im Freien gespielt und kurz vor Toreschluss gelang dem TSV Birkenau mit dem 16:14 über den SV 1946 Crumstadt der deutsche Titelgewinn, vor 4000 Zuschauern im jetzt bereits umbenannten Sepp-Herberger-Stadion. Der vierfache Torschütze Albert Korgitta und Erich Peller waren bereits 1966 beim Süd-Duell gegen Leutershausen dabei gewesen. Die SGL hatte ihren einzigen deutschen Feldtitel nach drei Vizemeisterschaften 56, 57 und 68 1969 errungen – nach Verlängerung mit 18:16 gegen den TSV Grün-Weiß Dankersen. Auch hier waren – wie beim Rivalen-Treffen mit Birkenau vor 50 Jahren – Herbert Hönnige und Jürgen Plambeck erfolgreichste Feldtorschützen.

Wiedersehen am Sonntag

An die „Schlachten“ von damals erinnern sich beide Lager heute noch gern. Und anlässlich des 50. Jahrestags sowie der Vereinsjubiläen von SG Leutershausen (125) und TSV Birkenau (130) luden die Birkenauer Verantwortlichen die Helden von 1966 zu einem Treffen ein. Ein Handballtest der beiden aktuellen ersten Herrenmannschaften am Sonntag ab 16 Uhr in der Langenberghalle bildet den Rahmen zum Oldie-Treffen, zu dem viele ihr Kommen zugesagt haben.

„Wir wollten keinen offiziellen Festakt daraus machen, sondern uns danach in gemütlicher Runde zusammensetzen und alte Geschichten erzählen“, sagt Peter Denger, damals Ersatztorwart beim TSV Birkenau. „Uwe Rathjen, damals schon Nationaltorwart in der Halle, hatte seinen Stammplatz sicher. Und ich hatte ein Angebot von Dr. Walter Schmitt, der Nachfolger von Hannes Lochbühler bei der SGL zu werden. Mein Vater meinte, wenn ich das täte, müsse ich keinen Fuß mehr über seine Schwelle setzen. Ich bin froh, dass ich geblieben bin. Aber auch, dass sich das Verhältnis beider Vereine so verbessert hat.“

Martin Andes, 1966 Kapitän der Birkenauer, ließ sich deshalb wie viele seiner Teamkollegen von damals nicht lange bitten, als es um die Zusage für das Veteranentreffen ging. „Ich freue mich sehr darauf. Natürlich gab es damals große Rivalität. Es ist hart zugegangen, aber immer fair. Wir Spieler hatten ein gutes Verhältnis untereinander, ich war mit vielen Leutershausenern ja auch in der Auswahl“, erinnert sich der Stürmer gern an sportliche Erfolge und auch diese spezielle Saison. „Wir waren abstiegsbedroht. Und als der Leutershausener Ossi Roth dann als Trainer kam, hat er uns vom zweitletzten Platz bis an die Tabellenspitze geführt. Am Ende waren wir fast unschlagbar“, lacht der Mann, für den dieses Spiel, die anschließende Fahrt auf dem Lastwagen durch Birkenau und die Feier in den Drei Birken zu seinen schönsten Birkenauer Erinnerungen zählt.

Auch die Duelle in der Halle seien immer hart umkämpft gewesen, damals gab es ja das Novum, dass Birkenau und Leutershausen sowohl in der Halle als auch im Feld in Deutschlands höchster Klasse aufeinandertrafen. „Im Hallenhandball ging es zu Beginn noch nicht so flink zu wie heute. Damals hat man die Spielweise vom Feld einfach in die Halle übertragen.“

Die Feldhandball-Helden von 1966 starteten mit nahezu denselben Teams auch in die Hallensaison. Birkenau spielte in der Weinheimer TSG-Halle, 1700 Zuschauer sahen dort einen 14:11-Erfolg über die SG Leutershausen und es ging im Anschluss hitzig zu (siehe nebenstehenden Auszug aus dem Spielbericht). Auch das Rückspiel in der Leutershausener Beck-Halle war ausverkauft, 1200 Zuschauer quetschten sich in die Halle und sahen den 21:15-Erfolg der SGL.

Bei den Derbys auf dem „Kuchenblech“ in Leutershausen oder auf dem Tannenbuckel in Birkenau waren es sogar immer zwischen 3000 und 5000, woran sich auch Leutershausens 66er-Kapitän Herbert Hönnige gern erinnert. „Es war immer eine großartige Stimmung, die sich natürlich auf die Spiele übertragen hat. Und vor allem wusste man nie im Vorfeld, wer gewinnen würde, die Mannschaften waren gleichwertig. Das hat es für die Zuschauer natürlich noch interessanter gemacht.“ Hönnige, der aus gesundheitlichen Gründen am Sonntag nicht dabei sein kann, bedauert, dass er seine alten Teamkollegen und Konkurrenten nicht wird sehen können. „Uwe Rathjen beispielsweise, der mir in einem Spiel in Leutershausen fast jeden Ball gehalten hat, und natürlich meine Kameraden von 1968/69, mit denen ich deutscher Meister in Halle und Feld wurde.“

Feldhandball habe er immer lieber gespielt als das oft hektische Spiel in der Halle. Frische Luft, grüner Rasen, größere Laufwege und kraftvolle Würfe aus teilweise bis zu 25 Metern – all das wird mit dem Handball-Testspiel am Sonntag um 16 Uhr zwischen TSV und SGL in der Langenberghalle nichts mehr zu tun haben. Auch das wird den Helden von 1966 Gesprächsstoff liefern – noch mehr als ohnehin schon.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert