(msc) Die Sirene ertönte, die gesamte Mannschaft des TSV Birkenau warf sich auf seinen Keeper und skandierte seinen Namen. Der Grund: Erik Fremr hielt kurz vor Spielschluss nicht nur einen Punkt für die Südhessen fest, er erzielte auch Sekunden später per Fernwurf ins leere Tor des HC Neuenbürg 2000 den 25:24-Siegtreffer.
Über die gesamte Partie hinweg bewiesen die Odenwälder, dass sie an guten Tagen auch mit den Topteams der Badenliga mithalten können und zeigten eine überaus ansprechende Leistung. Allen voran eben Fremr, der seinen Kasten exzellent hütete und dafür in der letzten Spielsekunde seinen persönlichen Höhepunkt bekam. „Eines will ich heute erwähnen: Der Spieler des Spiels muss ganz klar Erik Fremr sein“, gab es auch für TSV-Trainer Axel Buschsieper keine zwei Meinungen. Der HC Neuenbürg muss dagegen ohne Punktgewinn nach Hause fahren. Die gute Laune ob eine trotz des Rückschlags starken Saison ließ sich Coach Achim Frautz allerdings nicht verderben. „Wir wissen, wo wir herkommen, sind ein Aufsteiger. Das wir überhaupt so weit nach vorne gekommen sind ist ein riesiger Erfolg. Von daher geht auch ein Glückwunsch an meine Mannschaft“, so der Coach, der mit einem Lachen anfügte: „Zudem ist zu Hause eine Ü30-Partie, bei der wir die Bewirtung übernehmen – also feiern wir heute Abend ein Fest.“
Die ersten zwölf Minuten standen bereits sinnbildlich für die Ziele, die Coach Buschsieper formuliert hatte: Die Defensive muss stabil stehen. Lediglich sechs Tore erzielten beide Teams, zwei auf Birkenauer Seite, vier bei den Gästen aus Neuenbürg. Das lag aber keineswegs an der Leistung der Offensivreihen, die einige gut durchdachte Angriffe auf die Platte zauberten. Vielmehr brillierten die Abwehrreihen und allen voran die beiden Keeper Fremr und Florian Eitel. „Wir hatten keine Möglichkeiten unsere Kreisläufer zu positionieren. Es war schwierig, vorne durchzukommen“, erklärte Gäste-Coach Frautz. Dieses Kompliment gab Buschsieper nahtlos an seine Jungs weiter: „Wir haben umgestellt auf die 6:0-Abwehr, weil wir um die Neuenbürger Stärke im Kreisläuferspiel wussten. Da standen wir das ganze Spiel über sehr gut.“ Letztlich siegte dann aber doch der Wille im Angriff, die Odenwälder konnten Eitel drei weitere Male überwinden und so die Führung an sich reißen. Ein erstes Zeichen, dass heute durchaus mehr drin sein könnte gegen das Überraschungsteam der Badenliga. In der 19. Minuten, beide Teams gingen nun bis an den Rand des erlaubten, wurde es dann unübersichtlich. Das Schiedsrichtergespann stellte zeitgleich auf der einen Spielfeldhälfte Jonas Kraus zwei Minuten vom Feld, auf der anderen sah Felix Kracht den roten Karton, nachdem er Nicolas Barrientos unsanft am Wurf hinderte. Kurz darauf musste das Spiel für mehrere Minuten unterbrochen werden – denn niemand wusste so recht, wie viele Spieler Neuenbürg nun auf die Platte schicken durfte. Als man sich geeinigt hatte, ging es in doppelter Überzahl für den TSV weiter, an der 7:6-Führung änderte sich jedoch trotzdem nichts. „Wir haben einige Siebenmeter verworfen plus im ersten Abschnitt zu viele freie Bälle“, begründete Buschsieper: „Sonst hätten wir noch weiter vorne liegen können.“ So ging es nur mit diesem einen Tor Vorsprung beim Stand von 11:10 in die Kabinen.
Und aus dieser kamen die Gäste bereits nach sechs Minuten geschlossen wieder raus. Der HC Neuenbürg war heiß auf das Spiel. Während sich Kracht auf der Tribüne nach dem Spielstand in Hardheim – wo Meisterschaftskonkurrent Heddesheim seine Visitenkarte abgab – erkundete, drehten seine Mitspieler auf dem Feld das Spiel mit zwei schnellen Treffern. Die Partie wurde nun von beiden Teams mit Leidenschaft geführt. Das bedeutete aber auch, dass der Kampf immer mehr zum Trumpf wurde und die Aktionen nach und nach ruppiger wurden. Die spielerische Qualität litt, die Spannung dagegen keineswegs. Doch eines änderte sich nicht: Die Abwehr der Falken blieb standhaft. „Wenn die Abwehr steht, dann kommt auch der Torhüter ins Spiel“, lobte Fremr seine Vorderleute: „Die Abwehr war bombastisch, so etwas kannst du dir nur wünschen. Der Gegner musste immer wieder aus Situationen werfen, aus denen normal keiner wirft.“ Eine Viertelstunde vor dem Schlusspfiff musste dann indes auch Marian Kleis mit der roten Karte vom Feld, der fällige Siebenmeter fand – auch das am heutigen Abend keine Selbstverständlichkeit – seinen Weg ins Ziel und besorgte den Ausgleich.
Ausgeglichen blieb es auch über die restliche Partie. Zumindest, wenn man die letzte Sekunde abzieht. „Diese letzten Sekunden kosten mich wohl noch mehr Haare“, sagte Buschsieper, während er schmunzelnd über seine Glatze fuhr: „Letztlich haben wir uns für unsere Leistung belohnt – vor allem in der Abwehr.“ Denn im Schlussakkord setzte Neuenbürg alles auf eine Karte und nahm den Torhüter zu Gunsten eines siebten Feldspielers raus. Da Philipp Kinscherf mit zwei Strafminuten auf der Bank saß, hatte der HCN somit doppelte Überzahl – und nutzte sie nicht. „Da ging mir nicht so viel durch den Kopf“, beschreibt Keeper Fremr die Momente vor seinem großen Auftritt: „Ich dachte nur: Entweder du hältst ihn, oder das ganze Spiel war um sonst.“ Fremr hielt den Ball, der Jubel auf der Tribüne der Langenberghalle war riesig. „Dann dachte ich der Punkt ist uns und habe ruhig gemacht – bis mich Sascha Höhne angeschrien hat.“ Denn: Das Tor war nach wie vor leer. Der TSV-Keeper setzte bei drei verbleibenden Sekunden zum Wurf an – und setzte das Spielgerät sensationell in die Maschen. Die Sirene ertönte, das Birkenauer Team feierte den 25:24-Sieg euphorisch.
TSV Birkenau:
R. Dietrich, Fremr 1; Höhne 7, Gutsche, Weis, Barrientos 4/1, Kinscherf 1, Böhm 5/1, S. Dietrich 2, Zehrbach, Helbig 1, Schneider, Kleis, Conrad 4.
HC Neuenbürg 2000: Krettek, Eitel; Frauendorff 6, Pietrucha 1, Kern, Werling 1, Nonnenmacher, Kraus 6/3, Angrick 4/1, Kracht, Nölle, M. Langjahr, K. Langjahr 3, Bäuerlein 3/1.
Bilder: Mathias Brock