(msc) Bei der von Timo Baumann angeführten „Humba“ hielt sich Gabriel Schmiedt noch zurück, wenige Augenblicke später konnte er dann aber nicht mehr entkommen: Die obligatorische Bierdusche stand an. Seine „Falken“ hatten kurz zuvor nach einer packenden Partie per 30:28-Erfolg die Vizemeisterschaft klar gemacht, die Teilnahme am Relegationsturnier ist ihnen nicht mehr zu nehmen. „Erstmal bin ich sehr froh über das Spiel“, erklärte der Coach: „Aber auch ein Riesenkompliment an die Wieslocher Mannschaft.“ Nicht nur Schmiedt hatte eine starke Leistung der Gäste gesehen, auch einige seiner Spieler zogen vor der Leistung der TSG ihren Hut. „Ich war jetzt dreimal dabei, Wiesloch war bisher die stärkste Mannschaft“, erklärte Peter Spatz, der erneut beim Badenligist aushalf. „Sie haben bei uns eines ihrer besten Spiele abgeliefert“, sah Schmiedt das ähnlich. Die Folge: „Wir waren in der Abwehr oft einen Schritt zu spät, vorne haben wir einen Pass zu früh abgeschlossen.“ Doch seine Jungs bissen sich zurück in die Begegnung, belohnten sich am Ende für ihren Kampf in diesem Spiel und in der ganzen Saison. Torhüter Nils Heckmann hatte sich bereits auf einen ganz heißen Tanz mit den Weinstädtern eingestellt. „Es war klar, dass es ein heißes Spiel wird“, sagte er: „Die spielen gegen den Abstieg, wir um den Relegationsplatz. Klar ist da jeder heiß.“
Mit einem Wort lässt sich die erste Hälfte der „Falken“ beschreiben: Unglücklich. Sei versuchten vieles – wirklich gezündet hat aber kaum etwas. Trotzdem ließen die Birkenauer Handballer ihre Köpfe nicht hängen, gaben Vollgas. Das bewies beispielsweise Jonas Böhm, der nach drei Minuten das erste TSV-Tor zum 1:2 in die Maschen setzte. Nicht etwas völlig frei, sondern unter erheblichem Druck und aus schwieriger Position von Außen. Ein wichtiger Treffer, um irgendwie in die Partie zu kommen. Doch Wiesloch stemmte sich erwartungsgemäß ebenfalls mit aller Macht gegen den drohenden Abstiegskampf. Das 4:1 von Nico Maier war eine erste Duftmarke, die es für die favorisierten Hausherren erst einmal zu überwinden galt. „Wir wussten: Es kommt auf dieses Spiel an“, sagte TSV-Kapitän Gerrit Fey: „Es war unglaublich schwer sich auf diese Begegnung zu fokussieren. Es war kein typisches Spiel gegen einen Absteiger, sondern gegen ein Team, dass gewinnen muss.“ Marian Kleis zeigte, dass seine Offensivpower gut tut, erkämpfte sich den Ball und veredelte im Gegenstoß zum 4:6 – Aufatmen bei Birkenau. Die Gäste beirrte das aber nicht, sie gingen selbst im Zeitspiel ungewohnt lässig mit der Situation um und nutzten die sich bietenden Chancen gekonnt. Der Birkenauer Coach Schmiedt war somit gezwungen, seine erste Auszeit zu nehmen – mit Erfolg. Ruven Dietrich vereitelte davor einen Versuch von Wiesloch-Spielmacher Jonas Ruß, Gerrit Fey reagierte bei einem TSG-Fehler im Aufbauspiel am schnellsten und sicherte sich das Spielgerät. Sein sehenswertes Zuspiel auf den enteilten Max Pauli führte zum 9:10-Anschluss. Die Spannung stieg nun, die Odenwälder blieben dran. Vorbei kamen sie in den ersten 30 Minuten aber nicht mehr, mit 15:16 ging es in die Kabine. „Wir sind mit einem Tor Rückstand in die Pause gegangen, Wiesloch war in dieser Halbzeit einfach besser“, erkannte Schmiedt neidlos an.
Auch der Start in den zweiten Abschnitt ging verlief nicht nach Plan für die Gastgeber. Ehe sie sich versahen, lag Wiesloch erneut mit 20:17 in Front – die Vizemeisterschaftsparty schien zu platzen. Jetzt besannen sie sich aber, kamen wieder auf 19:20 heran. Ausgerechnet in dieser starken Phase flatterten aber wieder die Nerven beim TSV. Ein Angriff verlief im Sande, einmal parierte Gästekeeper David Böhler bärenstark gegen den freistehenden Lars Heckmann, dann kam Hendrik Wagner noch in letzter Sekunde heran, um Pauli vor dem Ausgleich zu stoppen. Der Freiwurf führte per Hammer von Kapitän Fey dann aber doch zum umjubelten 20:20 – auch weil TSV-Torhüter Nils Heckmann im Kasten eine Glanztat nach der anderen zeigte. Doch obwohl der elffache Torschütze Fey auch die Führung nachlegte, änderte sich an der Hektik im Angriffsspiel wenig. Folgerichtig kassierten die Odenwälder den Ausgleich, später auch den Rückstand. Wiesloch war weiterhin voll da und brandgefährlich. „Es hat 50 Minuten gedauert, bis wir die Situation im Kopf richtig eingeordnet haben“, kommentierte Schmiedt den emotionalen Auftritt: „Heute morgen ist den Jungs vielleicht durch den Kopf gegangen, dass sie heute eventuell zum letzten Mal in der eigenen Halle auflaufen.“
Beim 24:27 musste Schmiedt wieder die Auszeit ziehen. neun Minuten verblieben – wenn etwas passieren sollte, dann musste es schnell passieren. Sascha Höhne, Stefan Dietrich, Anschluss. Das saß, Wiesloch geriet ins Schwimmen. Ein technischer Fehler, eine Fahrkarte – die Gelegenheit zum 27:27-Ausgleich. Doch auch Birkenau stolperte, die Partie steuerte dagegen mit Vollgas auf eine hochspannende Schlussphase zu. Trotz Unterzahl sicherten sich die „Falken“ die Kugel, Fey netzte vorne ein. Die Atmosphäre in der Langenberghalle? Elektrisierend. Beide Teams verlangten sich jetzt alles ab, jeder wollte die wichtigen Zähler einsacken. Einer hatte aber einen Extraschuss Motivation mitgebracht: Nils Heckmann, der sein (vorerst) letztes Spiel in der Birkenauer Halle absolvierte. Er kam immer besser ins Spiel, wurde gemeinsam mit der starken Abwehr zum Rückhalt und Sieggarant der Südhessen. „Die Ruhe in den letzten Minuten war entscheidend, da haben wir das Ganze gedreht und etwas glücklich gewonnen“, lobte Schmiedt: „Die Jungs haben nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass wir das Spiel gewinnen. Dafür gebührt ihr ein dickes Lob.“ Keeper Heckmann bewertete seine Leistung gewohnt konservativ, wollte sie nur im Zusammenhang mit seinen Vorderleuten sehen. „Da waren ein paar gute dabei, aber auch schlechte wo ich mich drüber aufgeregt habe. Wichtig war, dass die Abwehr und ich am Ende gut funktionieren. Sie haben mir geholfen, ich konnte die letzten beiden Bälle gut halten.“
TSV Birkenau:
N. Heckmann, R. Dietrich; Höhne 5/2, Suschlik, Gutsche, Schmidt, Pauli 1, Fey 11, Baumann, Böhm 1, S. Dietrich 1, Spatz, L. Heckmann, Kleis 11.
TSG Wiesloch:
Böhler, Ebikeme; Dörr 2, Ruß 6, Maier 2, Bederke, Tichelmann 3, Dutzi, M. Sauter 4, F. Sauter, van de Locht 4/2, Wagner 7, Karolus, Heim.